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Der Kühlschrank

"George, ich weiss wirklich nicht, ob das so eine gute Idee ist", meinte Benjamin zweifelnd, als sie den Kühlschrank im Laderaum des kleinen Lieferwagens befestigten.

Schon den ganzen Morgen hatte er in dieser Art gejammert. 'Und dabei ist die Aktion nun schon seit Tagen geplant', dachte George wütend.

"Hast du die Ausrüstung nochmal geprüft?" gab er zurück, ohne auf Benjamin einzugehen.

'So ist es immer. Ständig muss ich hinter ihm her sein, ihn antreiben, sonst fällt er völlig in sich zusammen.'

"Sicher, George", antwortete Benjamin mit seiner langsamen Art zu sprechen, die George zur Verzweiflung trieb. "Aber ..."

"Gut, dann können wir ja", unterband George jeden weiteren Protest im Keim und stieg ein.

Ungeduldig trommelte er mit den Fingern auf seinen Knien, bis Benjamin endlich um den Wagen herumgelaufen war, um auf dem Fahrersitz Platz zu nehmen.

Benjamin sah George noch einmal an, aber der Gesichtsausdruck des kleinen Mannes sagte ihm, dass jeder weitere Versuch sie von ihrem Plan abzubringen nutzlos war.

Er seufzte leise und startete den Motor. 'Hoffentlich gibt es nicht wieder so eine Katastrophe wie beim letzten Mal', dachte er unsicher, als er den Wagen aus der Garage lenkte.

Der Lieferwagen war hellgrau und ohne besondere Kennzeichen. Unauffällig.

Ideal für ihre Zwecke.

Wenn er am Strassenrand stand, dann übersah man ihn einfach. Man konnte damit irgendwohin fahren, ein Haus oder jemand beobachten und dann wieder verschwinden, ohne dass sich jemand erinnerte, dass sie überhaupt dort gewesen waren.

Vorsichtig fuhr Benjamin sie an ihr Ziel, während George ständig Kommentare von sich gab: "Fahr nicht zu schnell, sonst werden wir noch angehalten. Achtung, eine Ampel. Vorsicht, da kommt ein Bus mit Kindern. Und denk dran: Wenn wir wieder keinen Erfolg haben, dann fährt der Boss mit uns Schlitten! Es muss klappen, sonst sind wir dran!"

Benjamin war daran gewöhnt und hörte es schon fast nicht mehr. 'Ob er wohl still wäre, wenn ich einmal das Radio anmachen würde?' dachte er bei sich und ein kleines Lächeln erschien auf seinem rundlichen Gesicht, das so gar nicht zu dem gewaltigen Körper passen wollte.

George dagegen war klein und drahtig. Er schien ständig in Bewegung zu sein und sein Mund stand auch fast nie still. Nur, wenn sie sich irgendwo versteckten. Aber selbst dann schien er vor Energie ständig zu vibrieren.

Benjamin auf der anderen Seite war ein gutmütiger Riese. Er war George zwar körperlich haushoch überlegen, aber ihm fehlte der klare Verstand des kleinen Mannes. Und obwohl George ständig an Benjamin herumkritisierte, so waren die beiden doch wie Pech und Schwefel.

Nach einer Weile kamen sie an dem Haus an, dass sie sich ausgesucht hatten. Gemeinsam luden sie den alten, wertlosen Kühlschrank ab.

Nachdem George einen kurzen Blick auf die Ausrüstung in ihrer Tasche geworfen und sich überzeugt hatte, dass die Geräte liefen, hängte er sich die Tasche um und schleppten sie den Kühlschrank vor die Haustür.

George klingelte bei Herrn Ulf Wildmer, einem reichen Junggesellen, der im Moment im Urlaub war. George tat, als hätte er keine Ahnung davon und klingelte nochmal, nachdem er eine gewisse Zeit hatte verstreichen lassen.

Wie nicht anders erwartet, öffnete niemand.

Dann klingelte George bei Dr. Benk. Eine freundliche Frauenstimme antwortete nach kurzer Zeit: "Benk?"

"Äh, ja, hallo?" rief George. Er hasste diese Gegensprechanlagen, wo man nie wusste, ob der andere einen auch hören konnte. "Mein Name ist Werner Schmidt und ich wollte zu Ulf, aber er scheint nicht da zu sein."

"Ulf?" fragte die Frau zurück.

"Ulf Wildmer, ihr Nachbar. Wir haben hier einen Kühlschrank, den er haben wollte."

Kurzes Schweigen. "Einen Kühlschrank?" wunderte Frau Benk sich.

"Äh, ja, genau", spielte George den Unsicheren.

"Moment", meinte die Frau, "ich komme runter."

"Oh, vielen Dank!" antwortete George, aber mitten im Wort knackte die Sprecheinrichtung und zeigte ihm, dass Frau Benk aufgelegt hatte. George starrte den Lautsprecher feindselig an und schnaubte.

Benjamin lehnte sich an den Kühlschrank, der leise knirschte, und sah unglücklich aus, was ihm einen scharfen Blick von George einbrachte. Er gab sich Mühe, etwas fröhlicher dreinzuschauen, damit Frau Benk nicht misstrauisch wurde, was George mit einem verzweifelten Kopfschütteln quittierte.

Dann öffnete sich die Tür und Frau Benk starrte die beiden Männer neugierig an.

"Hallo, sind sie Frau Dr. Benk?" fragte George.

"Ja", antwortete sie, während sie Benjamin unverhohlen musterte.

"Ulf hat uns schon von ihnen erzählt, müssen sie wissen", log George. Benjamin war immer erstaunt, wie leicht George das fiel.

"Oh?" fragte Frau Dr. Benk schon viel entspannter.

"Ja. Äh, könnten sie uns vielleicht ins Haus lassen? Dann stellen wie den Kühlschrank einfach hinein und müssen nicht noch einmal kommen."

"Sicher, kein Problem", meinte Frau Benk lächelnd. "Ich habe sogar einen Nachschlüssel, also können sie den Kühlschrank in die Wohnung stellen. Dann geht er nicht verloren!"

"Super", freute sich George, "heutzutage wird ja so viel gestohlen!"

"Kommen sie!" forderte Frau Benk sie auf. "Ich hole ihn nur schnell!"

Ächzend stemmten die beiden Männer den Kühlschrank wieder hoch und folgten Frau Benk ins Haus. George hoffte, dass seine Tasche nicht zu sehr schwankte und Frau Benk immer gut im Bild war. Er wollte das hier nicht allzu oft wiederholen, wenn es sich vermeiden lies.

Benjamin und George trugen den Kühlschrank direkt zur Wohnungstür von Herrn Wildmer und warteten dann auf Frau Benk, die zu sich in die Wohnung gelaufen war, um den Nachschlüssel zu holen, den Herr Wildmer ihr für Notfälle hinterlassen hatte.

Sie schloss die Tür auf und liess die beiden Männer hinein. Die Einrichtung von Herrn Wildmer war sehr teuer, das sah man auf den ersten Blick. Verstohlen liess George seinen Blick über die edlen Möbel, den Luxusfernseher und die kostbaren Bilder schweifen, schliesslich sollte Frau Benk den Eindruck haben, dass sie die Wohnung schon kannten.

"Ich frage mich nur", meinte Frau Benk unbekümmert, während die Männer den Kühlschrank vorsichtig auf einen Perserteppich stellten, "was Herr Wildmer mit so einem alten Kühlschrank will?"

Einen Augenblick war George überrumpelt, aber er überspielte seinen Schrecken gekonnt: "Ich muss ehrlich sagen, ich habe nicht die geringste Ahnung", sagte er mit einem Schulterzucken.

'Wie auch? Ulf hat ja keine Ahnung davon!' dachte er amüsiert, während die leichtgläubige Frau nickte.

"Wissen sie, wann Ulf zurückkommt?" fragte George unschuldig. 'Hoffentlich hat sie keine Ahnung, dass er im Urlaub ist! Sonst muss ich mir eine Ausrede ausdenken, warum wie den Kühlschrank wieder mitnehmen wollen!'

"Keine Ahnung", meinte Frau Benk unbekümmert.

"Seltsam", murmelte George, "eigentlich hätte er uns erwarten müssen."

"Vielleicht rufen wir ihn einfach kurz an?" schlug die Frau vor.

'Perfekt!' dachte George, während Benjamin nicht zu wissen schien, was er mit seinen enormen Händen machen sollte. "Eine sehr gute Idee", sagte er laut und ging zum Telefon.

Er nahm den Hörer ab und wählte die Nummer von Karl, der in die ganze Sache eingeweiht war: "Ulf? Hier Werner! Wo steckst Du? Wir stehen hier mit dem Kühlschrank und wenn uns deine Nachbarin nicht hereingelassen hätte, dann stünden wir draussen auf der Strasse!"

"Aha", antwortete Karl, "dann hat es also geklappt."

"Ja, wir sind drin", antwortete George. "Wann kommst Du?"

"Bin gespannt, wie das Material aussieht!" meinte Karl nur.

"OK, bis dann!"

"Bis später", antwortete Karl und legte auf.

George drehte sich zu Frau Benk um, aber diese war auf einmal verschwunden. Verblüfft starrte George zu Benjamin und dann auf die Wohnungstür, die mit einem lauten Knall zuflog.

Er kam nicht einmal mehr dazu einen Schritt zu machen, da hörte er schon, wie der Schlüssel umgedreht wurde.

"Aber ...", krächzte George und Benjamin stöhnte: "Hab' ich's doch geahnt! Das musste ja schiefgehen!"

"Klappe!" schnappte George.

Da tönte schon Frau Dr. Benks Stimme durch die Tür: "An ihrer Stelle würde ich jetzt ganz ruhig sein, bis die Polizei hier ist! Und nichts kaputtmachen! Ich habe mich umgesehen und da war nichts beschädigt! Wenn jetzt etwas herunterfällt, dann werden sie dafür aufkommen müssen!"

"Nicht die Polizei!" rief George zurück und lief zur Tür.

Frau Benk lachte nur.

"Wir sind von Super-TV!" sprudelte George hervor. "Wir wollten zeigen, wie einfach es ist jemanden mit Hilfe seiner Nachbarn auszurauben!"

Copyright © 2001-2002 Aaron Digulla a.k.a. Philmann Dark.
Last Modification: 15.02.2003